Der Blog zum Technocentre
Juni 2023: Die Pläne werden konkret
Spätestens mit einer DPA Meldung vom 25.06.2023 wurde bestätigt, dass die Electricité de France (EDF) Fessenheim als Standort für ihre "Technocentre" genannte Verwertungsanlage für leicht radioaktiven Metallschrott aus ganz Frankreich und eventuell anderen europäischen Ländern favorisiert. Der projektverantwortliche EDF Manager Laurent Jarry sprach von einer Bauzeit von ca. 4 Jahren und Baukosten von etwa 400 Millionen Euro.
Die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer in Freiburg im Interview: "Wenn nun der Schrott aller Kernkraftwerke aus Europa oder Frankreich bei ihnen mit großen Containern vorbeitransportiert wird, ist es nicht das, was sich die Region gewünscht hat." Von Deutscher Seite gebe es Widerstand gegen das Projekt.
"Technocentre, das bedeutet für uns: 25.000 Tonnen leicht radioaktiver Stahl werden jedes Jahr, mindestens 20 Jahre lang, wie mit einer Gieskanne über der metallverarbeitenden Industrie der Region ausgeschüttet. Der Stahl landet wieder in Form von Baustahl oder Gebrauchsgütern bei uns Endverbrauchern. " meint Stefan Auchter, Regionalgeschäftsführer des BUND in Freiburg. "Unsere Region lebt auch davon, den Ruf einer gesunden unverstrahlten Natur zu besitzen, das ist Grundvoraussetzung beispielsweise für Tourismus und Weinbau. Wieder machen wir uns und unseren Wohlstand davon abhängig, dass diese Typen in Fessenheim sauber arbeiten. Wenn auch nur der leise Verdacht besteht, Stahlfässer der Winzergenossenschaften könnten aus leicht radioaktivem Stahl hergestellt worden sein, kann die Branche einpacken."
Juli 2023: Infobroschüre der Umweltverbände
Französische Umweltverbände hatten unter Federführung von Stop Fessenheim bereits zuvor eine Infobroschüre herausgegeben, der Titel: Le Project fou de Technocentre. Ecotrinova e.V. und der BUND Regionalverband liesen diese Broschüre ins Deutsche übersetzen und 2.000 Exemplare drucken: Das verrückte Technocentre-Projekt in Fessenheim. Die Broschüre ist als gedrucktes Exemplar für 2 € beim BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein erhältlich.
5. Dezember 2023: Information für den deutsche Begleitausschuss zum KKW Fessenheim.
5. Dezember 2023: Der deutsche Begleitausschuss zum KKW Fessenheim trifft sich im Kraftwerksgelände zu einem Rundgang über das Betriebsgelände und die Maschinenhalle und zu einem Update zum Technocentre. Mitglieder des Begleitausschusses sind u.a:
- Bärbel Schäfer, Regierungspräsidentin in Freiburg
- Christine Buchheidt, Umweltbürgermeisterin der Stadt Freiburg
- Klaus Schüle, Beauftragter für grenzüberschreitende Angelegenheiten im Regierungspräsidium Freiburg
- Klaus von Zahn, Amtsleiter Umweltschutzamt Freiburg
- Stefan Auchter, Regionalgeschäftsführer BUND
EDF Manager Laurent Jarry gibt erstmals genauere Details zum Technocentre bekannt:
- Die Anlage wird neben dem stillgelegten Kraftwerk errichtet und beansprucht ca. 130.000 Quadratmeter,
- davon etwa 30.000 Quadratmeter für Gebäude.
- Ende 2024 / Anfang 2025 wird es eine erste öffentliche Konsultation geben
- 2027 öffentliche Umfrage
- 2027 - 2031 Bau der Anlage, Inbetriebnahme 2031
- Bis zu 10 Lastwagen pro Tag und 5-6 Schiffe pro Jahr sollen kontaminierten Metallschrott anliefern.
- Die Verarbeitungskapazität beträgt 25.000 Tonnen Stahl / Jahr.
- Davon bis zu 18 Dampferzeuger, der Rest sind zerlegte Metallbauteile.
- Die Teile werden in einer Lichtbogenschmelzanlage behandelt.
- Alle ankommenden Teile haben ein Dokument dabei, das Aufschluss über die Strahlenbelastung und Historie des Teils gibt.
- Eine Kontrolle am Eingang prüft jedes einzelne Teil auf Plausibilität zum Dokument.
- Eine Ausgangskontrolle prüft den freigemessenen Stahl bevor er in Verkehr gebracht wird.
- Auf dem Gelände entsteht eine Lagerkapazität für 6 Dampferzeuger und 480 Container, um den Materialfluß nicht von Transporten abhängig zu machen.
Auf Nachfrage bestätigt Laurent Jarry:
- Die Dampferzeuger werden in einer Halle gelagert, nicht unter freiem Himmel.
- Das Abladen der Schiffe findet in den Häfen von Neuf Brisach oder Ottmarsheim statt.
- Die Genehmigungsanträge enthalten keine Genehmigung zur Abgabe flüssiger Stoffe in den Rhein.
- Die Abluft wird gefiltert.
Auf Hinweis des BUND Regionalgeschäftsführers, dass man - siehe Stocamine - in der Region schlechte Erfahrungen mit Kontrollen gemacht habe und bereits jetzt besser Vorkehrungen einplanen möge, damit Kontrollen nicht in krimineller Absicht umgangen würden, wurde versichert, die Kontrollen seien zuverlässig.
Während der Präsentation wird die Anlage als umweltfreundliche Recyclinganlage beschrieben, deren Zweck sei, Stahl zur Wiederverwertung aufzubereiten und so den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Angesichts der 12 Millionen Tonnen Stahl, die Frankreich pro Jahr erzeugt, liegen die 25.000 Tonnen, die die Anlage pro Jahr verarbeiten könnte, allerdings eher im Bereich von "Peanuts". In Wirklichkeit geht es darum, teure Endlagerkapazitäten zu sparen.
10. Oktober 2024 bis 7. Februar 2025: Eine öffentliche Debatte
Vielleicht unsere letzte ganz winzige Chance, das Technocentre in Fessenheim doch noch zu verhindern: Die öffentliche Debatte vom 10. Oktober 2024 bis 07. Februar 2025.
Die öffentliche Debatte - in Franktreich bei Großprojekten vorgeschrieben - ist ein dem Genehmigungsprozess vorgeschaltetes Instrument der Bürgerbeteiligung. Vorgeschrieben ist die öffentliche Debatte erst ab einem Volumen von über 600 Millionen Euro. Das Technocentre, inzwischen sprechen die Planer von 450 Millionen Euro Baukosten, liegt zwar darunter, die EDF hat aber wohl wegen der politischen Brisanz beschlossen, trotzdem eine öffentliche Debatte durchzuführen. Ich vermute, dass die EDF den Standort Fessenheim als "nicht ganz einfach" einschätzt (die heftigen Proteste gegen das Atomkraftwerk sind nicht vergessen) und dass die EDF mit dieser freiwilligen Debatte die öffentliche Stimmung besser einschätzen können will. Denn was die EDF in ihrer zur Zeit desaströsen finanziellen Lage und mit einem Haufen alter Atomkraftwerke an der Backe überhaupt nicht brauchen kann ist ein wiederaufflammen der Anti- Atomkraft Proteste im Elsass und in Baden. Für die vielen Atomkraftwerks- Neubauten, die in den kommenden Jahren auf Frankreich zukommen, braucht man das in der Bevölkerung verbreitete Gefühl, die Gefahr durch Atomkraftwerke sei vernachlässigbar, die Entsorgung sei gesichert und die Atomkraftwerke lieferten billigen sauberen Strom.
- Den Infoflyer zur öffentlichen Debatte gibt es hier: Infoflyer
- Die Zusammenfasung der Unterlagen zum Technocentre gibt es hier (deutsch): Technocentre Broschüre
- Die komplette Dokumentation (auf französich) gibt es hier: Technocentre
- Die Webseite zur Teilnahme an der Debatte ist hier: https://www.debatpublic.fr/projet-technocentre-fessenheim (Dort auf den Menupunkt "Debatte" gehen, um auf den deutschen Teil der Webseite zu kommen)
Eine sehr einfache Möglichkeit, Fragen zu stellen und seine Meinung auszudrücken (auch auf Deutsch) ist eine E-Mail an die Kommission zur Durchführung der Debatte: equipe.fessenheim(at)debat-cndp.fr
Es dürfte wohl niemanden überraschen, dass wir - der BUND am Südlichen Oberrhein - das Projekt in Gänze ablehnen, und zwar nicht nur hier am Oberrhein sondern auch an anderen Standorten, die im Gespräch sind. Zu groß ist die Gefahr einer unkontrollierten Abgabe radioaktiver Metalle in die Öffentlichkeit.
Was aber hier am Oberrhein noch hinzu kommt: Dieses Projekt pulverisiert den Plan, als Ersatz für die Arbeitsplätze des Kernkraftwerks Fessenheim Arbeitsplätze in Bereichen der erneuerbaren Energie, intelligenter Stromnetze, Batterierecycling oder einer Transformation zur Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. Das Potenzial dazu wurde in einer 800.000 Euro teuren Studie "Innovationsregion Fessenheim" bestätigt, die in Folge der Aachener Verträge über die "Gemeinsame Entwicklung des Projektes zur Nachnutzung des Gebiets rund um das KKW Fessenheim" von vier deutschen und französischen Instituten erstellt wurde. Deutsche Politiker und Gemeinden bezweifeln, dass sich eine solche Zukunftsvision neben einem Recyclingbetrieb für radioaktive Abfälle ansiedeln lässt. Das Projekt "Technocentre" wird mit der Schaffung von 200 Arbeitsplätzen beworben, wieviele Arbeitsplätze in Zukunftstechnologien wegen diesem Projekt in unserer Region nicht geschaffen werden, wird nirgendwo genannt, es sind vermutlich tausende.
Hier die Zusammenfassung der Studie auf deutsch.
Hier ein Link zur Projektwebseite: Entwicklung einer Innovationsregion im Raum Fessenheim.
Ganz nebenbei verzichtet man in der Region mit diesem Projekt auf Fördermittel der EU
Unsere Forderungen
Der Schutz des Menschen, der Natur und der Umwelt muß Vorrang vor Gewinnstreben haben!
Fehler bei der Ausgangskontrolle können nie vollständig ausgeschlossen werden. Der BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein fordert daher, den in dieser Anlage eingeschmolzenen Stahl nicht freizugeben. Der BUND fordert vielmehr, dass Stahl als Rohmaterial in der Nuklearindustrie Weiterverwendung findet. "Endlager brauchen auch Schienen, Stützen, Tore und Fässer. Warum setzt man den Stahl aus Fessenheim nicht einfach dort ein, wo er unter der Aufsicht der Strahlenschutzbehörden bliebe?" so Stefan Auchter vom BUND Regionalverband.