Fuß- und Radentscheid Freiburg
Freiburg wird oft als grüne Fahrradstadt bezeichnet, was man anhand des lokalen Wahlergebnisses der BTW auch so gesehen hat (Erststimme: 32,6 %, Zweitstimme: 36,0 % Grüne). Doch wenn man mal den Blick weg von den Zahlen und hin auf die Straßen richtet, erkennt man, dass das gar nicht so grün ist. Nicht nur dass die CO2-Emissionen im Verkehrssektor seit 2010 stetig steigen, es werden jedes Jahr sogar noch mehr Autos auf den Freiburger Straßen (2016-2021: +6315).
Genau aus diesem Grund ist der Freiburger Fuß- und Radentscheid ins Leben gerufen worden. Das Ziel war es, mit einem Bürgerentscheid einen entscheiden Beitrag für die lokale Verkehrswende zu leisten.
Was sind die konkreten Forderungen der zwei Bürgerbegehren?
Bürgerbegehren Nr.1: Fuß- und fahrradfreundliches Freiburg
1. Sichere und barrierefreie Gehwege -
bis 2025 jährlich mind. 15 km Fußwege an Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen bauen.
2. Verkehrsberuhigte Bereiche und Fußgängerzonen -
bis 2025 jährlich mindestens eine Fläche von 3000 m² oder mehr in einem Orts- bzw. Stadtteilzentrum, die zuvor dem motorisierten Verkehr zur Verfügung stand, so umzuwandeln, dass sie eine hohe Aufenthaltsqualität für Fußgänger hat.
3. Fußgängerfreundliche Kreuzungen -
bis 2025 jährlich mindestens 20 Kreuzungen auf Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen umbauen.
4. Sichere Radwege -
bis 2025 jährlich mindestens 10 km bestehender Radwege auf eine nutzbare Mindestbreite von 2,5 m je Fahrtrichtung bzw. 4 m bei Zweirichtungsradwegen ausbauen.
5. Durchgängiges und leistungsfähiges Radvorrangnetz -
bis 2025 ein Radvorrangnetz mit einer Gesamtlänge von mindestens 64 km ein. Das Netz hat eine Mindestbreite von 2,5 m je Fahrtrichtung bzw. 4 m bei Zweirichtungsradwegen und eine Auslegungsgeschwindigkeit von mindestens 25 km/h.
6. Sichere Radabstellplätze -
bis 2025 jährlich mindestens 1.000 neue Radabstellplätze auf Flächen, die bisher dem motorisierten Verkehr zur Verfügung standen. 50 % der neuen Stellplätze bieten Schutz vor Witterung, 20 % bieten ausreichend Raum für Fahrradanhänger oder Lastenräder, 10 % bieten erhöhten Schutz vor Diebstahl.
7. Fuß- und Radwegpflege -
Stadt Freiburg stellt ein öffentliches Onlineregister für die Meldung von Mängeln am Fuß- und Radwegenetz zur Verfügung. Meldungen sind innerhalb von vier Wochen zu bearbeiten und die Ergebnisse zu veröffentlichen.
8. Sichere Infrastruktur -
bei schweren Unfällen mit Beteiligung von Zufußgehenden oder Radfahrenden untersucht die Stadt, inwiefern die Infrastruktur den Unfall begünstigt hat. Ist das der Fall, leitet die Stadt innerhalb von drei Monaten Maßnahmen ein.
9. Jährlicher Bericht -
die Stadt Freiburg veröffentlicht jährlich einen Bericht über den Umsetzungsstand der Zielvorgaben des Bürgerentscheids.
Bürgerbegehren Nr. 2: Fuß- und fahrradfreundlicher Innenstadtring
Verlauf: Rempartstraße – Holzmarkt – Wallstraße – Schlossbergring – Leopoldring – Friedrichring/-straße – Bismarckallee – Konrad-Adenauer-Platz
Mindeststandards der Fahrradwege:
- Mindestbreite von 2,50 m (Einrichtungsradweg) bzw. 4 m (Zweirichtungsradweg)
- und Auslegungsgeschwindigkeit von mindestens 25 km/h.
Auf der Wilhelmstraße und Belfortstraße:
- bauliche Verhinderung von Kfz-Durchgangsverkehr und
- bessere Übersicht für Radfahrende und breitere Fußwege durch bauliches Verhindern oder Erschweren des Parkens und Haltens von Kfz.
Auf dem Schlossbergring:
- werden die beiden östlichen Fahrspuren in einen Zweirichtungsradweg mit Mindestbreite 4 m sowie in Gehwege umgebaut.
- soweit möglich werden Straßenbäume gepflanzt
Im gesamten Verlauf des Innenstadtrings:
- ist Barrierefreiheit für den Fußverkehr sichergestellt,
- werden einfache, möglichst ampelfreie Fußgängerübergänge errichtet,
- erschwert die bauliche Gestaltung unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge --- ermöglicht die bauliche Gestaltung ein zügiges und bevorrechtigtes Befahren bei ca. 18-25 km/h, z. B. durch Aufpflasterung und Farbgestaltung.
Was ist bis jetzt passiert?
Im Sommer 2020 hat die Initiative „Fuß- und Radentscheid“ - trotz erschwerter Bedingungen durch die Corona-Einschränkungen - über 41.000 Unterschriften von Freiburger/innen für die beiden Bürgerbegehren „für ein fuß- und fahrradfreundliches Freiburg“ und „für einen fuß- und fahrradfreundlichen Innenstadtring“ gesammelt. Auch die „Freiburg-Umfrage 2020“ zeigt den deutlichen Wunsch der Bürger/innen nach schnelleren Fortschritten bei Klimaschutz und Verkehrswende.
Doch am Dienstag, dem 22.09.2020 kam dann die ernüchternde Nachricht. Das Bürgerbegehren zum Freiburger Fuß- und Radentscheid ist rechtlich unzulässig. Diese Einschätzung veröffentlichte die Stadt Freiburg an diesem Dienstag. Dies sei keine politische, sondern eine rein juristische Entscheidung. Die Stadt setze weiter auf Dialog mit den Initiatoren. Die Stadtverwaltung bemängelt zu wenig Bestimmtheit bei den Forderungen, teilweise würden objektiv unmögliche Maßnahmen gefordert und die Kostendeckung der Forderungen seien nicht ausreichend dargelegt. Das war ein harter Tiefschlag für die Bürgerinitiative, vor allem weil man wusste, dass die Mehrheit des Gemeinderats den Inhalten des Bürgerbegehrens zustimmt.
In der Gemeinderatssitzung am 08.12.2020 wurde, wie zu erwarten war, der Gemeinderat von der Stadtverwaltung dazu aufgefordert, die Bürgerbegehren offiziell abzulehnen. Der Gemeinderat hat anschließend mehrheitlich beschlossen, die Forderungen des Fuß- und Radentscheids durch die Verwaltung in den kommenden Monaten und Jahren prüfen und gegebenenfalls umsetzen zu lassen. Der Gemeinderat und die Stadtspitze bekräftigen damit ihren Einsatz für die Verkehrswende in Freiburg. Nach einer kontrovers geführten Debatte im Gemeinderat steht das Bekenntnis, mehr für Fußgänger und Radfahrer in Freiburg tun zu wollen. Jetzt heißt es dem Gemeinderat auf die Finger zu schauen, um das Ziel „Verkehrswende“ zu erreichen.
Quellen:
https://www.statistik-bw.de/Verkehr/KFZBelastung/10023020.tab?R=KR311
https://swr-aktuell-app.swr.de/news/102403/Erfolg+fr+Initiative+Fu-+und+Radentscheid/20201208201253
https://mitmachen.freiburg.de/stadtfreiburg/de/mapconsultation/54307/single/proposal/670
https://rdl.de/beitrag/freiburger-fu-und-radentscheid-rechtlich-unzul-ssig
https://www.badische-zeitung.de/erfolg-fuer-den-freiburger-fuss-und-radentscheid--198768510.html