Mein Weg zur Aktivistin.

Liebe Leser*innen,
Ich werde diesen Artikel nicht auf die Zahlen, Daten und Fakten der Klimakrise eingehen, weil ich davon ausgehe dass die allermeisten von Ihnen mittlerweile Kenntnis darüber haben. Ich nutze stattdessen die Gelegenheit, um Ihnen nachvollziehbar zu machen, wie es sich für meine Generation aber vor allen Dingen für mich anfühlt, mein Leben in einer Krise zu führen.


Ich möchte Ihnen deshalb einen Überblick über meine Person geben.
Ich bin hier in einem sicheren und wohlhabenden Land aufgewachsen, darf das Privileg einer höheren Bildung genießen und frei meine politische Meinung äußern, ohne Angst haben zu müssen, verfolgt oder eingesperrt zu werden. Ich bin eine sehr friedliebende Person und versuche Konflikten so weit wie möglich vorzubeugen. Harmonie ist ein wichtiges Grundbedürfnis für mich.

Fragt sich also: Wie konnte ich den zivilen Ungehorsam als Protestform wählen? Eine sehr konfrontierende Protestform, die starke gesellschaftliche Spannungen auslöst, aber mit dem Potenzial, notwendige demokratische Prozesse loszutreten?

Anfangen möchte ich mit der Zeit nach meinem Schulabschluss in meinem Orientierungsjahr. In dem Zeitraum habe ich beschlossen, etwas Sinnvolles zu tun und wollte mit der Arbeit eine große NGO stärken, die in der Politik einen gewissen Status genießt und Einfluss auf politische Entscheidungen hat. So habe ich angefangen in der Mitgliedergewinnung beim BUND zu arbeiten und war dauerhaft mit den Themen und Problemen der Klimakrise beschäftigt. Ich habe also versucht Menschen zu erklären warum das Artensterben immer weiter voranschreitet und warum das Bienensterben nicht nur den Honigkonsum, sondern unser ganzes Ökosystem gefährdet.

Wie geht man mit solchen Fakten um?
Ich liebe die Natur. Ich bin gern draußen und habe die Vogelbeobachtung für mich entdeckt. Mich fasziniert es, in welchem komplexen, aber perfekten Zusammenspiel unsere Erde funktioniert. Doch was, wenn einzelne Zahnräder dieses perfekten Zusammenspiels einfach kaputt gehen und rausfallen? Mir wird immer wieder mehr klar: ES MUSS ENDLICH WAS GETAN WERDEN.

Was würden Sie an meiner Stelle tun?
Ich bin nicht immer die starke Person, die nicht aufgibt. So oft habe ich Weltschmerz. Ich bin auch manchmal hoffnungslos, wie all die Menschen die entweder aufgegeben hatten oder diejenigen die ihre Augen zu machen und sich nicht mit den Themen beschäftigen wollen, weil sie unangenehm sind. Jeden Tag werde ich mit Ungerechtigkeit, Leid und Politikversagen konfrontiert, die Medien berichten nur noch Schlechtes.
Ich fühle mich machtlos.
Irgendwie ohnmächtig.
Dem ausgesetzt, was die Politik entscheidet, während sie ihre eigene Verfassung bricht.

Egal wie ich es in meinem Kopf drehe und wie sehr ich versucht habe Verständnis aufzubringen, am Ende entsteht nur völliges Unverständnis. Nicht nur wegen meiner Zukunft oder die der nachfolgenden Generationen, sondern auch an die aktuelle und immer schlimmer werdende Situation von Menschen aus dem globalen Süden. Die Menschen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, sind auch diejenigen die am meisten darunter leiden werden. Laut dem IPCC lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Regionen, die heftige Wetterereignisse zu befürchten haben.

Menschen mit Behinderung in einer Einrichtung werden oft nicht eins zu eins betreut. Wie also sollen diese in einer Hochwasserkatastrophe rechtzeitig evakuiert werden? Wie sollen alte Menschen die nicht in vollklimatisierten Häusern oder Wohnungen zu Hause sind, bei einer Durchschnittstemperatur von 40 C Grad leben? Das heißt also, die Klimakatastrophe drückt mit dem Finger zusätzlich in offene Wunden unserer Gesellschaft. Ich wünsche mir eine klimagerechte Welt.

Angefangen mit Aktivismus hat es, als ich eine Freundin in Freiburg besuchte und diese mich in ein Plenum von den Students for Future geschleppt hatte. Die Menschen haben mich mitgerissen. Jede*r hat Aufgaben übernommen, alles in deren Freizeit. Der Umgang war sehr respektvoll und wertschätzend. Jede*r wurde gehört und durfte mitentscheiden. Ich kannte diese Art von Kommunikation nicht und wurde auch sofort in die Gruppe herzlich begrüßt. Ein paar Wochen später bekam ich die Nachricht, dass eine Uni Besetzung statt finden würde. Gefordert wurde den sozial-ökologischen Notstand auszurufen und die Universität in Freiburg zu ihrer Verantwortung als Bildungseinrichtung zu ziehen. Also fuhr ich von Augsburg nach Freiburg, um mitzumachen. Was ich dort erlebt habe, war unglaublich. So viele Menschen die zwischen den Bänken im größten Hörsaal schliefen. Auf Isomatten und Schlafsäcken. Dieser Ort hat mir so viel Mut gemacht und die Utopie ausgelöst, wir könnten den Wandel gemeinsam schaffen. Sogar der liebe Security-Mensch hat sich mit uns verbündet und als wir abends zusammensaßen, erzählte er von seiner Zeit früher, den Hausbesetzungen in Freiburg. Leider wurde dieser Mut schnell getrübt, da die Universität Freiburg nicht für konstruktive Gespräche offen war. Schliesslich waren wir gezwungen den Hörsaal zu räumen.

Der friedliche und gewaltlose zivile Ungehorsam schien bei all dieser Verzweiflung das richtige Mittel für mich zu sein. Nicht nur die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese Art von Protest funktioniert. Ohne zivilen Ungehorsam gäbe es heute keine Arbeitnehmer*innenrechte, keine Bürger*innenrechte für People of Colour, kein Frauenwahlrecht und keine indische Unabhängigkeit.

Dass ziviler Ungehorsam auch heute in Bezug auf die Klimakrise ein probates und demokratisches Mittel ist, hat man in Den Haag gesehen: hier haben Aktivist*innen fast einen Monat lang, jeden Tag aufs Neue, ein und dieselbe Autobahn blockiert, mit der konkreten Forderung eines Stopps fossiler Subventionen. Nach 27 Tagen landete das Thema auf der politischen Agenda und es kam zu einem Parlamentsbeschluss, der die Regierung dazu aufforderte, Möglichkeiten zu finden, wie fossile Subventionen abgebaut werden können. Hier wurde also durch zivilen Ungehorsam, ganz konkret ein demokratischer Prozess losgetreten, der Hoffnung macht.
Die kommenden Jahre bis 2030 sind entscheidend. Es ist wichtig gegen jedes Zehntel
zusätzlicher Erwärmung zu kämpfen.

Auf das Argument, ich könne doch in die Politik gehen, antworte ich: leider bin ich 30 Jahre zu spät geboren, um jetzt in der Politik was verändern zu können. 30 Jahre, die wir in der Klimakrise nicht mehr haben um zu handeln. Deshalb habe ich diesen Protest gewählt. Trotzdem habe ich bei jeder Blockade neu mit mir gerungen. „Ist das die richtige Protestform?“ Mich auf die Straße zu setzen war nie eine leichte Entscheidung für mich. Nicht bei der ersten, nicht bei der zweiten und auch die Male danach wurde dieses Dilemma für mich leichter. Ich konnte die Nacht davor kaum schlafen und jedes einzige Mal an der Ampel kurz bevor es los ging, hatte ich unfassbar viel Angst.

Ich finde es auch weiterhin wichtig, dass es Menschen gibt die den zivilen Ungehorsam als
Protestform nutzen und sie alle haben meinen größten Respekt.

Diese Menschen setzen sich viel Gewalt und Hass aus, um für die Themen einzustehen, die für uns ALLE wichtig sind.
Klima Aktivismus ist der Wecker für unsere Regierung, die schon viel zu lange verschlafen hat, angemessene Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Ich wollte meinen Unmut Ausdruck verleihen, meiner Sorge um die Menschen, die bereits jetzt von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.


Ich fände es schade jetzt aufzugeben und traurig zu zusehen, wie die ganzen Arten aussterben.

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