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Die großen Irrtümer der Fans der Atomenergie

Die seit 70 Jahren immer gleiche Parole, die Kernfusion sei in 20 Jahren marktreif, ist der "running Gag" der Fusionseuphorisierten. Nach jedem der unzähligen "Durchbrüche" der Fusionsforschung werden wieder Schlagzeilen gesetzt, die eine Nutzung dieser "unendlichen" und "superbilligen" Energieform in greifbare Nähe rücken sollen. Begonnen hat diese täglich grüsst das Murmeltier-Prognosen der Präsident der Genfer Atomkonferenz der UN 1955, der Physiker Bhabha, auf eben dieser.

Einer war jedoch in seinen Prognosen ganz extrem: Friedwardt Winterberg, Physiker,  Mitglied des Komitees für interstellare Raumfahrt in der Internationalen Astronautischen Akademie in Paris, träumte vom Fusionsantrieb für interplanetare Raumschiffe und schrieb 1981 in der Zeitschrift Fusion: "Die Erschließung der Kernfusionsenergie wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts gelingen, womöglich sogar noch vor 1985." Man bedenke, er sprach von einem Zeitraum von vier Jahren! Im Sachstandsbericht der Bundesregierung zu Fragen zur Kernfusion von 2019 spricht man nun von 2060 als denkbarem Zeitpunkt für die kommerzielle Nutzung eines Kernfusionskraftwerks.

 

In den 1950er und 60er Jahren träumte man von atomgetriebenen Autos, Flugzeugen und Schiffen. Ford hatte mit dem Nucleon, Simca mit Fulgur und Studebaker mit dem Astral seine Konzeptfahrzeuge, funktionierende Fahrzeuge wurden glücklicherweise keine hergestellt.

"Kernkraftgetriebene Staubsauger werden vermutlich innerhalb der nächsten zehn Jahre Wirklichkeit werden", prognostizierte 1955 der US-amerikanische Erfinder und Staubsaugerhersteller Alex Lewyt.

Bild: mitwelt.org

Während die einen technikbesoffen von den Möglichkeiten gespaltener Atome träumten, hatten andere Alpträume beim Gedanken daran, dass diese Wundermaschinen eventuell nicht gebaut werden könnten. Am 27. Februar 1975 sagte Ministerpräsident Filbinger (und Aufsichtsratsvorsitzender des damaligen Stromversorgers Badenwerk AG) in der 75. Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg: „Ohne das Kernkraftwerk Wyhl werden zum Ende des Jahrzehnts in Baden-Württemberg die ersten Lichter ausgehen.“

"Durch Atomenergie wird Strom in wenigen Jahren so billig sein, dass man die Stromzähler abschaffen kann."

Diesen häufig widerholten Satz prägte in den USA der damalige Vorsitzende der Atomic Energy Commission, Lewis L. Strauss als „electricity will be too cheap to meter“ 1954 in einer Rede, ungefähr drei Jahre, bevor der erste kommerzielle Reaktor in Betrieb ging. Gemünzt war der Satz von Strauss auf die Kernfusion. Vermutlich wegen der Namensgleichheit wird der Satz fälschlich auch dem damaligen deutschen Atomminister Franz-Joseph Strauß zugeschrieben.

Die Aussage wurde in Deutschland verwendet, um der Bevölkerung den Bau diverser Kernkraftwerke schmackhaft zu machen, auch das in Wyhl.

Hoffnung auf neue Konzepte - wenn die alten versagt haben

zum Beispiel die "schnellen Brüter"

1965 legte das Kernforschungszentrum Karlsruhe eine erste umfassende Brüterstudie vor, der zufolge die Brütertechnologie schon in den 70er Jahren kommerziell einsetzbar sei und die alten Reaktoren wieder verdrängen würde. Für das Jahr 2000 prognostizierte die Studie für die Bundesrepublik Deutschland Brüterkraftwerke mit insgesamt 80.000 MW elektrischer Leistung. Zum Vergleich: Das ist fast die Hälfte mehr als der deutsche Stromverbrauch heute (55.000 MW).

Die Studie prognostizierte die Baukosten für einen 300 MW Brüter auf 300 Millionen DM, die Bauzeit auf 3 Jahre. Diese Einschätzung führte zum Bau des Brüters in Kalkar 1972, der das 25-fache kostete und nach 19 Jahren Bauzeit aufgegeben wurde. Um die 80.000 MW bereitzustellen, hätten 266 dieser Kraftwerke gebaut werden müssen.

Teuer, naiv und gefährlich: Irgendwas mit Atommüll

Standbild aus Report Mainz: Altlast im Meer

Vermutlich wollte man sich in der allgemeinen Euphorie nicht mit so unattraktiven Themen wie der Müllproblematik befassen. Während viele der technischen Phantasien der Atomfans uns heute kopfschütteln oder schmunzeln lassen, aber weiter keinen Schaden verursachen, kommt uns die Ignoranz im Umgang mit Atommüll teuer zu stehen, sie gefährdet heute sogar unsere Gesundheit. 

Der Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg sagte 1955 zu einem Reporter: "Was schließlich den Atommüll betrifft, so genügt es durchaus, ihn in einer Tiefe von drei Metern zu vergraben, um ihn vollkommen unschädlich zu machen."

Später warf man den Atommüll einfach ins Meer. Dass das keine so gute Idee war und die langlebigen radioaktiven Elemente über die Nahrungskette wieder auf unseren Tellern landen, wurde zwar erkannt und diese Art der Entsorgung verboten, die Einleitung über Rohre ist aber auch heute noch erlaubt. Report Mainz: Altlast im Meer

1977 war man in der Landesregierung Niedersachsen von Gorleben als Endlagerstaandort überzeugt: "Das Landesministerium ist der Auffassung, daß dieser Standort - vorbehaltlich einiger noch zu klärender Sachfragen - für das Entsorgungszentrum im Vergleich zu den anderen in Betracht kommenden Standorten in bevorzugter Weise geeignet ist" aus einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums an das Innenministerium. Dabei war die Eignung von Gorleben von Anfang an umstritten, in Gorleben im Wendland, einer wirtschaftlich schwachen Region an der Grenze zur DDR vermutete man jedoch wenig Protest. Ein großer Irrtum. Heute gilt Gorleben als ungeeignet, knapp zwei Milliarden Euro hat die Erkundung gekostet, diese sind ... na ja, wie soll ich sagen ... nachhaltig entsorgt.

https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-39309.html

Standbild aus der Tagesschau vom 18.10.2012

Von 1967 bis 1978 wurde, als "Versuchseinlagerung" deklariert, der gesamte bis dahin angefallene schwachradioaktive Atommüll plus 1300 Fässer mittelradioaktiver Abfall ins ehemalige Salzbergwerk Asse2 abgekippt. Die Bundesgesellschaft für Strahlenforschung GSF gab sich in einer Infobroschüre damals überzeugt: "Der Schacht Asse 2 ist jetzt vollkommen dicht und trocken. Damit ist die Möglichkeit eines Wassereinbruchs durch den Schacht in das Grubengebäude ausgeschlossen.“ Wenige Jahre später wurden die ersten Wassereinbrüche registriert, aber als "im Salz eingeschlossene Wasserladern" für unbedenklich erklärt. Heute laufen ca. 13.000 Liter Wasser in die Asse - jeden Tag. Das Bergwerk ist einsturzgefährdet, die Rückholung der Abfälle wird - sofern überhaupt möglich - Milliarden kosten. Sollten die Abfälle nicht zurückgeholt werden, droht eine unkontrollierte Verseuchung des Grundwassers.

https://www.tagesschau.de/multimedia/video/sendungsbeitrag196250.html

Und wovon träumen sie sonst noch?

Immer wieder taucht die Idee auf, Atommüll ins Weltall zu schiessen. Wir bräuchten dazu aber mit heutiger Raketentechnik weltweit ca 2000 Raketen pro Jahr, und da mehr als 1% aller Raketenstarts mißlingen, müssten wir mit jährlich über 20 potenziellen Freisetzungen von Atommüll rechnen.

Die ganze Hilflosigkeit in der Entsorgungsfrage wird vielleicht am ehesten bei der Frage deutlich, wie man denn ein Endlager für zumindest die nächsten 10.000 Jahre als gefährlichen Bereich kennzeichnet. Expertengremien forschen weltweit nach Lösungen und da tauchen natürlich auch völlig skurrile Ansätze auf, z.B. die gentechnische Veränderung von Katzen, die dann bei radioaktiver Strahlung leuchten sollen. Die Information, dass man am besten abhauen sollte, wenn die Katze strahlt, soll durch eine noch zu gründende Priesterschaft von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Anti-AKW Demoerinnerung des Tages

BUND Regionalgeschäftsführer Axel Mayer (rechts) mit dem Gründer der Elektrizitätswerke Schönau EWS, Michael Sladek auf einer Demo gegen das Endlager Gorleben 2009 in Berlin

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