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27.06.2022: Mahnwache Endingen, zu Fessenheim und französischer Atompolitik

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Rede auf dem Marktplatz Endingen am 27.06.22

zum 2. Jahrestag der Abschaltung und endgültigen Stillegung des Atomkraftwerks Fessenheim

Das eine Abklingbecken ist bereits leer, im anderen sind noch 51 Brennelemente, Ende August sollen alle abtransportiert sein, voller Stolz betont die EDF bei verschiedenen Anlässen, dass sie im Zeitplan liegen, sogar schneller sind als geplant. Der Stolz ist nicht ganz gerechtfertigt, dass der Abtransport so schnell ging hat auch damit zu tun, dass andere Atomkraftwerke derzeit keine Transporte nach La Hague schicken, die „Warenannahme“ dort ist also nicht ausgelastet. Und das hat damit zu tun, dass von den 57 Kernreaktoren derzeit mehr als die Hälfte stillsteht, teils wegen Coronabedingt verzögerten Wartungsarbeiten, teils wegen Kühlwassermangel und teils wegen kürzlich entdeckten Rissen in Leitungen des Kühlsystems.

Voller Stolz ist die EDF auch deshalb über die Einhaltung des Terminplans, weil sich andere Projekte unglaublich verzögern. Der neue EPR Reaktor, Flaggschiff der Reaktorflotte, Aushängeschild sollte er werden, nukleare Kompetenz demonstrieren, dieser Reaktor in Flamanville sollte bereits seit über 10 Jahren in Betrieb sein, der Direktor des für den Bau zuständigen Konsortiums verkündete neulich, dass dieser Reaktor jetzt näher an einem Betrieb als an einer Baustelle sei. Was auch immer das bedeutet, bei einer Baustelle. Humor haben sie offenbar.

Aber zurück zu Fessenheim. Die Brennelemente sind dann mal weg, wenn alles klappt ist damit über 99% der Radioaktivität entfernt.

Derzeit laufen vorbereitende Maßnahmen. Das bedeutet, dass Teile, die nicht mehr benötigt werden abtransportiert werden, so sind beispielsweise Turbinen als Ersatzteile in andere Reaktoren verbracht worden. Es wird Platz geschaffen für die Zerlegearbeiten und es werden vorbereitende Arbeiten durchgeführt. Geräte werden angeschafft und auf Planungsebene mit den Überwachungsbehörden ein ca. 1000 seitiges Dossier ausgearbeitet, in dem präzise steht, mit welchen Methoden und Hilfsmitteln und in welcher Reihenfolge dann die radioaktiven Teile demontiert werden und wie sie weiter behandelt werden sollen. Das funktioniert in der Theorie sicher ganz gut, der Teufel steckt dann im Detail. Aber ich will dem nicht vorgreifen – trotzdem von einem Erlebnis erzählen.

Ich war mit der Abbaukommission in Chooz an der belgischen Grenze, dem einzigen französischen kommerziellen Reaktor, der sich schon im Abbau befindet. Wir bekamen Spezialoveralls, Spezialschuhe und Spezialsocken, Spezialhandschuhe und Strahlungsmessgeräte – sog. Dosimeter. Natürlich war die Ansage aus dem dortigen Kraftwerk, dass alles planungsgemäß läuft und keinerlei Schwierigkeiten auftreten. Man will sich ja keine Blöße geben. Beim Rausgehen zeigte die Schleuse für meinen Dosimeter an, dass er defekt sei. Das Personal wies mich zu einer 2. Schleuse, dann zu einer dritten, erst die 4. Schleuse gab mich „unverstrahlt“ frei. Nicht dass der Dosimeter dann zur Überprüfung separat behandelt wurde, nein, er wanderte in die Kiste zu allen anderen. Scheint also völlig normal zu sein, dass man mehrere Schleusen ausprobieren muss. Hauptsache, man kommt nach der Schicht schnell nach Hause. Super.. Was wäre gewesen, wenn der Dosimeter falsch „unverstrahlt“ angezeigt und niemand das bemerkt hätte?

Doch zurück zu Fessenheim. Und zum Thema Dummheit. Ich habe nichts gegen Dummheit, jeder benimmt sich mal dämlich, der eine mehr, der andere öfter. Aber ich mag institutionelle Dummheit nicht. Also wenn sich ganze Gruppen oder Institutionen dumm verhalten. Diese äußert sich so:

Alle konservativen Politiker im Elsass stehen felsenfest zur Atomenergie, auch jetzt, wo die halbe Kraftwerksflotte stillsteht. Und bei sich gebender Gelegenheit wird dann verkündet, dass der deutsche Sonderweg, das Land auf Erneuerbare umzustellen, krachend gescheitert sei, jetzt, wo Russland das Gas abdreht wir praktisch täglich einen Blackout zu erwarten haben. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Frankreich, traditionell ein Stromexportland, importiert so viel Strom wie noch nie. 2 Milliarden Euro haben deutsche Stromerzeuger mit Exporten bereits in diesem Jahr verdient, das ist normalerweise der Schnitt nach einem ganzen Jahr. Grob 8 Terawattstunden hat allein Frankreich 2022 aus Deutschland importiert, (netto, d.h. Rücklieferungen sind da abgezogen), ziemlich genau die Hälfte der Strommenge, die unsere verbliebenen 3 Kernkraftwerke in Deutschland in diesem Jahr produziert haben. Die anderen Exporte gehen nach Österreich, Schweiz, Tschechien. Rein nach Strommengen bilanziert kann man sagen, dass unsere Kernkraftwerke ausschließlich für den Export in die Atomstromländer Frankreich, Schweiz und Tschechien laufen.

Welches Risiko geht ein Politiker ein, der in Frankreich für Atomstrom wirbt? Gar keins, wenn irgendwas schief geht, versteckt er sich in der Menge der anderen Politiker, die auch alle pro Atom waren. Aber profitieren wird er auch nicht, egal ob`s klappt oder nicht.

Was aber, wenn jetzt einer im Elsass die Erneuerbaren anginge, die Region hinter sich versammelt und sagt: wir, das Elsass, wir stellen die Ergänzung der Atomenergie durch Solar und Wind bereit. Der Staat möchte immerhin bis 2050 50% erneuerbaren Strom im Netz, das ist erklärtes Ziel der Regierung. Schief gehen kann dabei nichts, was die Erneuerbaren leisten, ist bekannt. Aber wenn die Atomenergie scheitert, es braucht nicht einmal einen Unfall, es reicht, wenn die Kraftwerksneubauten sich verzögern und verteuern wie in Flamanville, wenn die Reaktoren wie die chinesischen EPR nicht richtig laufen, dann ist diesem Politiker der nächste Karriereschritt sicher, als „Retter der Nation“. Das nicht zu erkennen, das ist institutionelle Dummheit.

 

 

 

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